Mit dem Rad durch Nordmarokko

Nun sind wir also Anfang Dezember auf der Fähre nach Nador (Marokko). Wir erhalten unsere elektronische Schlüsselkarte für unsere Innenkabine und bringen unser Gepäck dort hin. Die Kabine bietet wohl theoretisch Platz für vier Personen, es muss dann aber schon sehr beklemmend zugehen. Es ist allerdings alles sauber und wir freuen uns schon auszuschlafen, denn die vorherige Nacht mussten wir Ausfallen lassen. Da gibt es aber noch eine Sache die wir erledigen müssen. Laut den Berichten die man so im Internet findet und auch unseren Erfahrungen von vor 10 Jahren, muss der Reisepass durch die marokkanischen Behörden während der Fährfahrt geprüft werden. Wir fragen beim Infothresen der GNV auf dem Schiff nach, die wissen nichts, außer das die Polizei um 10:00 Uhr bis 13:00 auf Deck 8 zur Kontrolle öffnet. Wir legen uns dafür also ein 1,5 Stunden aufs Ohr und suchen um 9:30 Uhr dann Deck 8 auf und finden auch einen Raum in dem mehrere Menschen auf dem Boden wartend sitzen. Auf der einen Seite des Raumes steht ein mit Panzerglas gesicherter Kasten in dem sich Platz für drei Stühle befinden und eine Klappe zum durchreichen von Dokumenten. Okay, das sieht doch irgendwie so aus als wenn hier Papiere geprüft werden. Um 10:00 Uhr passiert erstmal gar nichts. Um 10:15 Uhr kommt ein anderer Passagier und macht eine Geste von einem Stempel in ein Papier und zeigt auf den Flur und sagt "Policia". Alle stehen auf und gehen in einen anderen Raum. Es bildet sich eine Art Schlange und wir stehen irgendwo mitten drin. Diese Schlange bewegt sich allerdings gar nicht und wenn dann wirklich nur sehr sehr sehr langsam. Alle 20 Minuten rücken wir ein bisschen auf. Aber wir sind uns sicher das wir bis 13 Uhr hier niemals den Schalter erreichen werden. Aber was sollen wir tun? Wir brauchen ja den Stempel im Pass. Nach zwei Stunden in der Schlange bekommen wir zweifel. Es gibt zwar auch Passagiere mit Reisepässen, aber die meisten haben Dokumente für PKWs dabei. Sind wir hier richtig? Wir versuchen uns durchzufragen. Manche sagen "Ja, Stempel im Pass ist hier", andere sagen "Nein, Pass im Stempel gibt es im Hafen". Irgendwann drängelt sich Maria durch und fragt direkt am Schalter ob wir hier die Reisepässe vorzeigen müssen. Die offizielle Antwort lautet "Nein, im Hafen in Nador". Okay... anstatt unseren dringend benötigten Schlaf nachzuholen, haben wir jetzt also beinahe 2,5 Stunden auf der Fähre in einer für uns nutzlosen Schlange verbracht. Wir essen etwas und fallen dann totmüde in unsere Betten. Wir haben für die Überfahrt unseren Wassersack (MSR Dromedary) mit 10 Litern Wasser gefüllt und wollten somit auch unnötige Kosten vermeiden. Leider hat das Wasser darin einen wirklich ekelhaften Beigeschmack angenommen, kurz vor Brechreiz bei Genuss. Wir quälen uns und zwingen uns auf der Überfahrt trotzdessen ausreichend zu trinken. Irgendwann gibt es mal wieder eine völlig unverständliche Lautsprecherdurchsage. Auf Nachfrage heißt es, dass die Kabinen jetzt zu verlassen sind. Wir packen unsere Taschen und begeben uns an die Treppen auf dem Deck. Dort warten auch alle andere Passagiere, bis wir in Nador landen dauert es allerdings noch 3 Stunden. Irgendwann sind wir dann tatsächlich da. 



Wir suchen unsere Räder zwischen voll beladenen Fahrzeugen während die schon die Motoren starten und fröhlich Hupen. Die Ausfahrt der Fähre ist zwar noch geschloßen, die Passagiere geben sich dennoch ungedulig. Wir verlassen das Schiff und finden eine kleine Schlange der Passagiere die ohne motorisierten Fahrzeug unterwegs sind an einer kleinen Hütte. Wir stellen uns artig an. Vor uns kämpfen zwei weitere Radfahrer mit der Bürokratie. Sie haben Schwierigkeiten, da sie keine Adresse für ihren Aufenthalt angeben können. Irgendwann erhalten sie dann aber doch ihre Einreisegenehmigung. Wir geben einfach die Adresse unserer Unterkunft in Nador an und erhalten den Einreisestempel ohne Schwierigkeiten. Nach etwa 15 Metern steht der nächste Beamte und kontrolliert unsere Pässe. Nach weiteren 15 Metern kommt noch ein Beamter und möchte unseren Pass sehen. Danach radeln wir 30 Meter zu einer Schranke. Man möchte unsere Pässe haben. Der Beamte stellt fest das wir bereits einen Einreisestempel haben und er ja gar nichts mehr tun muss. Nach weiteren 10 Metern findet die Kontrolle der Fahrzeuge statt. Wir haben an Board Geschichten gehört das Radfahrer alle Taschen entleeren mussten. Uns lässt man nach der Kontrolle einer Tasche weiter fahren. Nicht aber bevor nochmal geprüft wurde ob wir einen Einreisestempel haben.

Dann sind wir irgendwann wirklich in Marokko. Wir packen ein bisschen unsere Taschen um und machen uns auf dem Weg nach Nador. Ja, genau, der Fährhafen von Nador ist etwa 20 Kilometer von der Stadt Nador entfernt. Wir holen erstmal ein paar Dirhams ab (zusätzliche Servicegebühr von 3,50 Euro) und kaufen uns durstig vernünftig schmeckendes Wasser. Gut gelaunt machen wir uns auf dem Weg entlang einer gut befahrenen Straße zu unserer Unterkunft. Wir sehen die ersten Eselkarren und ein Mann ruft beim Vorbeifahren an uns "Welcome im Marocco". Wir fühlen uns wohl, nicht nur weil die Sonne lacht. Wir hatten in Spanien bereits eine Unterkunft für zwei Nächte in Nador gebucht. Wir haben eine Adresse für unsere Ankunft vom Gastgeber erhalten, dort solle es ein WLAN geben über das wir ihn kontaktieren sollen. Unsere SIM-Karten aus Deutschland funktionieren hier natürlich nicht. Also machen wir uns auf zu der Adresse und stehen irgendwann vor einem Restaurant. Nur hier gibt es kein WLAN in das wir können. Wie kommen wir jetzt zu unserer Unterkunft? Maria findet nach 15 Minuten ein ganz schwaches WLAN und kann so Mustapha anschreiben. Er kommt uns mit dem PKW abholen, leider hatte er uns versehentlich die falsche Adresse genannt. Wir folgen mit den Rädern seinem Auto zu der richtigen Adresse. Die Räder schleppen wir in den 2. Stock und stellen diese im Zimmer ab. Für den Start in Marokko ist die Unterkunft ganz okay. Es gibt warmes Wasser und die Nächte sind einigermaßen erholsam. Bei unserem ersten Geldabheben haben wir erst die richtig hohen Gebühren bemerkt. Wir entscheiden uns daher eine möglichst hohe Summe abzuheben, da die Gebühren nicht prozentual sind. Wir müssen einige Bankautomaten ausprobieren bis es klappt (Bank: Attijari Wafa) und wir genug Geld für die ersten Wochen haben. Wir kaufen für die ersten Tage ein und sind positiv überrascht wie entspannt das geht. Wir hatten mit unangenehmen Angequatsche gerechnet.  Aber irgendwie sind alle hier ganz entspannt. Trotzdem ist das besorgen der Vorräte anders anstrengend, denn wir müssen sehr viele ganz kleine Läden abklappern um wirklich alles zu bekommen. Wir kaufen uns je eine SIM-Karte von Orange und Maroc-Telecom und sind irgendwie ein bisschen erleichtert dass es funktioniert. In einem kleinen Laden erhalten wir sogar Fahrradflicken und die dazugehörige Vulkanisierungsflüssigkeit. Wir haben gelesen dass wir hier mit vielen Platten rechnen müssen und haben etwas Panik. Irgendwann sind wir bereit und starten unser eigentliches Abenteuer in Marokko.



Wir durchqueren Zeghanghane und wollten bei einem kleinem Gemüsestand noch ein paar Zwiebeln für unser Abendessen einkaufen. Der Händler möchte von uns kein Geld, beim ersten Besuch sei der Einkauf umsonst. Wenn uns Marokko gefällt sollen wir nochmal bei ihm vorbei kommen. Ein paar Kilometer später halten wir nochmal an einem kleinen Einkaufsladen. Maria wird von einem älteren Herren angesprochen, der früher in Deutschland gelebt hat. Er bezahlt unseren kleinen Einkauf (rote Linsen) und heißt uns in seinem Land willkommen. Am Abend finden wir einen ruhigen Zeltplatz in einem ausgetrockneten Flussbett. Zu diesem Zeitpunkt erahnen wir noch nicht wieviel schwieriger die Suche nach einem ruhigen Platz die nächsten Wochen noch werden sollte. Am nächsten morgen passieren wir auf einer Schotterstraße ein Haus auf dessen Dach ein Mann arbeitet. Er sieht uns und begrüßt uns von weitem. Er kommt zum Tor und drückt uns zwei Granatäpfel aus seinem Garten in die Hand. Dankend nehmen wir diese an und er verschwindet und kommt kurz danach mit noch mehr Granatäpfeln für uns. So langsam begreifen wir wie freundlich die Menschen hier sind.


Abends peilen wir ein Gebiet um einen Stausee zum zelten an. Wir kommen durch einen kleinen Ort an dem drei Personen irgendetwas auf eine Wand pinseln. Als sie uns sehen halten sie uns an. Sie verstehen uns nicht und wir sie nicht. Sie wollen wissen wohin wir fahren und wo wir schlafen werden. Wir sagen das wir das noch nicht wissen und schwingen uns wieder auf die Räder weil mir das Gespräch zu aufdringlich wird. Die ersten Personen die mir unseriös erscheinen denke ich noch. Wir folgen der Straße und kurz vor dem Stausee steht am Kiosk wieder einer der Männer und beobachtet uns während wir unser Wasser auffüllen. Nach ein paar hunder Metern versuchen wir von der Straße zum Stausee abzubiegen. Sofort kommt ein Auto uns hinterher gefahren. Es sind wieder die beiden aufdringlichen Männer. Hier ist es nicht sicher und wir dürften hier nicht zelten. Sie wollen unsere Pässe sehen, wir weigern uns unsere Pässe zu zeigen, sie sind ja keine Polizisten. Sauer telefonieren sie und es kommt ein schwarzes Auto hinzu (mit halb schwarzen Nummernschild). Ein gut gekleideter Mann steigt aus und heißt uns in hervoragendem Englisch in Marokko willkommen. Er sei von der lokalen Behörde und versichert uns das wir hier leider nicht schlafen können. Es sei hier nicht sicher. Warum? Na wegen der Tiere, dem Stausee und allgemein ist es hier nicht sicher. Wir sollten jetzt unsere Pässe zeigen. Er könne sich allerdings nicht ausweisen, da sie solche Informationen nicht mit uns teilen dürften. Zum Beweis das er wirklich offiziel hier ist lädt er uns ein 2 Kilometer zurückzufahren zu seinem Büro. Wir haben eigentlich keine Lust aber fügen uns. Wir passieren wieder den kleinen Shop an dem wir zuvor Wasser besorgt haben und die Herren die davor sitzen schauen irritiert warum wir wieder hier sind. Ich zeige auf das vermeintliche Auto der Behörde und sie winken ab. Wir parken unsere Räder vor der Behörde und der Mann lädt mich in sein Büro. Ich folge ihm in das Gebäude und darf mich in seinem schönen Büro setzen. Er sei von der Behörde hier erklärt er mir und wir seien die ersten Touristen die sein Büro sehen dürften. Die Behörde sei für die Sicherheit von Ausländern zuständig. Die beiden Männer die uns zu erst kontrolliert haben seien seine Hilfskräfte. Jetzt sollten wir aber mal wirklich die Pässe zeigen. Ich bin zumindest überzeugt nicht vor einem Wegelagerer zu sitzen und hole die Dokumente. Vorher bekomme ich noch zwei Flaschen Wasser. Er kontrolliert unsere Pässe, macht Fotos, heißt uns nochmals willkommen und ist nun zufrieden. Er gibt uns einen tollen sicheren Zeltplatz versichert er uns. Wir sollen unsere Zelt gegenüber seiner Behörde auf einer Schotterfläche an einem leer stehenden Gebäude aufstellen. Da ist es sehr sicher und er kann uns sogar von seinem Büro aus sehen. Ganz toll finden wir das natürlich nicht, aber wir werden uns nah am Sonnenuntergang nicht wehren und bedanken uns artig. Um uns zu zeigen wie willkommen wir seien, würde er uns noch ein Abendessen schicken auf Kosten der Behörde. Wir wollen uns zur anderen Straßenzeite bewegen aber einer der Hilfskräfte sieht nicht ein warum wir jetzt einfach gehen dürfen. Ich zeige genervt auf das Büro und sage er solle mit seinem Chef sprechen. Wir schlagen dann unser Zelt in Sichtweite der befahrenen Straße wie uns gesagt wurde auf der Schotterfläche auf und warten auf unser versprochenes Abendessen. Da das nicht kommt kocht Maria noch eine Kleinigkeit und wir wollen gerade ins Bett gehen als ein Fahrzeugt mit Blaulicht vorfährt. Was wir hier machen würden. Hier sei es nicht sicher zu zelten und wir müssten nun der Gendarmerie Royal zu einem sicheren Platz in 16 Kilometer Entfernung folgen. Wir erzählen von unserer Begegnung mit lokalen Behörde für die Sicherheit von Ausländern. Sie können nicht fassen das wir unsere Pässe zeigen mussten. Wir könnten doch nicht irgendjemand ohne Uniform unsere Pässe zeigen den wir nicht kennen (das meinte Maria von anfang an). Wir berichten auch das uns dieser Platz zugewiesen wurde, weil er sicher sei. Wir bitten die Polizisten heute hier bleiben zu dürfen und zeigen unsere schweren Räder. Wir würden es nicht mehr heute Abend weiter schaffen. Einer der Polizisten telefoniert mit der Behörde die uns hier hinverfrachtet hat. Irgendwann sagt er wir dürften bleiben und es sei nun Problem der lokalen Behörde für unsere Sicherheit zu garantieren. Daher wird nächtlich immer mal wieder ein Auto der lokalen Behörde vorbei kommen um zu schauen das es uns gut geht. Das geht ja gut los... Wir bedanken uns und schlüpfen müde in unser Zelt. Wir liegen etwa eine halbe Stunde und versuchen zu reflektieren was hier gerade passiert ist. Dann hält ein Auto neben unser Zelt und zwei Männer steigen aus. "Bonjour! Hello! How are you???" rufen diese und kommen direkt zu unserem Zelt. Maria schlägt vor uns schlafend zu stellen, als die Männer aber direkt vor unserem Zelt stehen mache ich dann doch auf. Sie grinsen mich an und erzählen mir etwas von einem Dinner. Irgendwann fällt mir das versprochene Essen ein. Sie packen Hähnchen mit Salat und Pommes drapiert auf einem Teller aus. Den Teller bräuchten sie natürlich wieder lachen die beide. Ich fülle das Essen unsere Töpfe um und erhalte noch 1,5 Liter Coca-Cola und Plastikbecher. Wir bedanken uns artig und essen im Zelt. Wir essen das erste mal seit sehr vielen Jahren Hähnchen. Wir haben uns dazu entschlossen dies nicht abzulehnen wenn wir eingeladen werden. Wir haben uns viele Jahre vegan ernährt und das Hühnchen ist erstaunlich trocken und unspektakulär. Die ganze Nacht über fahren Fahrzeuge an unserem Zelt vor, auch welche mit Blaulicht. Wir gehen davon aus das es um unsere Sicherheit geht und versuchen trotzdem gut zu schlafen.