Alles Käse oder was?

Ich bin jetzt 34 und leb(t)e seit meinem 16 Lebensjahr als Veganerin. Das macht etwa 18 Jahre! Abzüglich der Zeit wo wir 2018 den französischen Käse aus den Fromagerien des Landes für uns entdeckten... aber wirklich NUR im Urlaub gegessen haben. Wenn wir diese Zeit nicht mitzählen, dann lebte ich 15 Jahre lang vegan. 

Als 16 Jährige Vegetarierin brachte man schon genug Chaos in die Küche der Mutter. Die erstmal die Hände überm Kopf geschlagen hat und sich wohl dachte wie werde ich jetzt satt... oder besser wie bekommt SIE das Kind satt? Als diese Hürde erfolgreich von meiner Mutter genommen wurde hieß es dann: Mutti, ich esse ab heute auch keinen Käse mehr. Und generell nichts mehr was irgendwie vom Tier kommt. Ich lebe jetzt vegan!" Nach verdauen dieses noch größeren Schocks wälzte meine Mutter (vegane) Kochbücher ohne Ende um sich für das Abenteuer zu rüsten. Ich kochte selbst sehr gerne, daher machte es mir nichts aus. Man bedenke dabei es war damals 2004! Das Sortiment an veganen Lebensmitteln ist mit dem damaligen mit heute überhaupt nicht zu vergleichen! Damals hat man sich über 2 vegane Produkte in der Supermarkttheke ein weiteres Loch in den Allerwertesten gefreut. Heute gibt es selbst in den Discountern eine große Auswahl. Früher undenkbar.

15 Jahre lang bin ich dann als Veganerin durch´s Leben gelaufen. In den ersten Jahren denke ich war ich noch radikaler eingestellt und habe auch schonmal versucht Leute zu missionieren, hinsichtlich ihrer Ernährungsweise. Ich fang Fleisch essen eklig und verachtenswert. Im Laufe der Jahre habe ich das abgelegt und wurde toleranter. Ich wollte so essen wie ich es für richtig halte, andere sollten so essen wie sie es für richtig halten. PUNKT. In dieser Zeit fiel mir auf das es anscheinenden auch andersrum geht. Da wurde mit erst richtig klar, ich bin hier die "Unnormale" in den Augen des Normalbürgers. ICH wurde aufgeklärt und missioniert. Vegan zu Leben ist ungesund und NICHT NORMAL. Es wurden Witze gerissen, das ich den Kühne das Futter wegschnappe und und und... Wenn ich dachte ich war in meiner Jugend radikal und kompromisslos, so musste ich feststellen das die Gesellschaft nichts übrig hat für Andersdenkende/ Handelnde. Daher behielt ich meine Ernährungsweise irgendwann für mich. Ich hatte keine Lust auf die sich ständig wiederholenden blöden Kommentare. Auf Menschen die nur nachfragten um zu provozieren und nicht weil sie wirklich an der Ernährungsweise interessiert waren.

Glücklicherweise habe ich meinen Mann schon als Vegetarier kennengelernt, mit 16 Jahren. Ich glaube wenn er zur damaligen Zeit Fleisch gegessen hätte, wäre das nichts geworden mit uns. Wir haben uns beide stets weiterentwickelt. So wurde auch er zum Veganer. Böse Zungen behaupten er wurde dies nur aufgrund meines Zutuns, da liegen sie aber falsch. Diese Entscheidung war seine ganz allein. Meine guten Kochkünste haben diese Entscheidung natürlich vereinfacht :-) Die Kunst des Kochens durfte ich nämlich in meiner Ausbildung zur "normalen" Köchin in einem vegetarischen Restaurant an der Ostseeküste erwerben. Die dortigen Köche waren alle grandios, und so lernte ich von den Besten. Und ich durfte meiner wahren Neigung nachgehen, den veganen Speisen. Man hat mir dort extrem viel Freiraum gelassen und so habe ich extrem viel gelernt. 

Und jetzt ist es 2018, Septemberurlaub in Frankreich. Und irgendwie gibt es überall diese kleinen Fromagerien. In jeden Ort, an jeder Straßenecke und dazu dieses gute Baguette! Ich kann es nicht mehr ganz rekonstruieren wie es genau kam, aber ich sehe folgende Szene vor mir: Wir beide sitzen mit frischen Baguette und regionalen Bio-Ziegenkäse im Grass und lassen es uns vor der Kulisse eines mittelalterlichen Dörfchens so richtig schmecken. Da hieß es noch nur im Urlaub und nur regionaler Biokäse, ohne tierisches Lab. 

2019/ 2020 wurde Käse dann auch gelegentlich zu besonderen Gelegenheiten gekauft. Unmerklich steigerte sich der Verbrauch. Durchschnittlich würde ich sagen gönnten wir uns Käse zu der Zeit 1-2 mal/ Monat. Vorher gabs Käse auch nur aufs Brot, ganz unverfälscht. Nun kommt er auch mal auf die Pizza! Seit Italien 2020 ein MUSS!

2021 sind es dann mindestens 2 Käsekäufe pro Monat gewesen, vielleicht sogar 3. Mindestens. Kein tierisches Lab hat sich gehalten. Bio und regional gibt's immer seltener. Und seit April, genauer gesagt seit dem 17.04.2021 haben wir was beschlossen: Wir werden demnächst vermehrt Milchprodukte verzehren und weniger "Ersatzprodukte"!. Man kann sich jetzt schon fragen, WARUM???

Ich kann jetzt nur für mich sprechen. Aber ich war Jahrelang nicht in der Lage richtig zu leben und habe den Veganismus in meinem Leben gebraucht. Er hat mir Sinn und halt gegeben. Ich stehe auch immer noch vollkommen hinter dieser Philosophie. Tieren Leid zuzufügen ist grausam und darf nicht sein. Das muss abgeschafft werden! Aber ich bin jetzt mal ganz ehrlich ich möchte nicht mehr. Und da. nur aus egoistischen Gründen:

- ich möchte den größten Teil unserer Einkäufe nur noch im Discounter einkaufen um Geld zu sparen. Früher liebte ich es im Supermarkt und Bioladen einzukaufen und habe dabei wahre UNSUMMEN ausgegeben.

- Wenn ich sowieso fast nur im Discounter einkaufe dann bin ich auch noch faul und will nicht extra zum Bioladen/ Supermarkt um mir ein Ersatzprodukt zu holen. Es ist teurer weil das Ersatzprodukt mehr Geld kostet und ich meist noch andere Sachen mitnehme ;-)

- die Ersatzprodukte sind generell teurer. Sojajoghurt kostet in etwa 2/3 mehr als herkömmlicher Joghurt. 

- Käse ist einfach LECKER: Blauschimmelkäse, Harzer Roller, Feta, Ziegenfrischkäse, Brie ... LECKER!!!

- Es gibt die Produkte ÜBERALL. Egal wo ich einkaufe, wirklich egal! Ich werde fündig!

- Es gibt so verdammt viele zusammengesetzte Lebensmittel, welche nur einen minimalen Anteil an z.B. Milchpulver oder ähnlichen enthalten. Diese habe ich bisher nicht genutzt. Das ist nur anders. Damit steigt die Auswahl bei der Wandernahrung immens!

- Ich kann den vegetarischen Aufstrich (egal welchen) in Gläser nicht mehr sehen! Ich mache meine Aufstriche deshalb seit Jahren fast nur noch alleine. Aus Praktikabilitätsgründen möchte ich das aber reduzieren.

- zusammengesetzte "Ersatzprodukte" sind oft ungesund. Man muss ja nur mal auf die Zutatenliste vom veganen Käse schauen: Stärke und Fett sind ganz große Begleiter.

Das waren jetzt viele Begründungen warum wir wieder Käse essen. "Normalen " Käse, nicht unbedingt Bio, nicht unbedingt regional (da zu teuer). Des Geschmackes, des Komforts und des Preises wegen. So einfach ist das. Ich befinde mich gerade noch in der Phase wo ich mir noch nicht ganz sicher bin ob ich das langfristig mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Langfristig wird die Zukunft zeigen wie es wird. Aber ich habe gelernt Dinge anzunehmen. Ich weiß zwar wie es in den Tierbetrieben zugeht, aber wenn man mal ganz ehrlich ist, habe ich durch meine 15 Jährige vegane Phase wohl auch nicht wirklich Tiere geschützt. Ich gebe zu ich verschließe vor dem Leid der Tiere die Augen und handele sehr egoistisch. Und ich gebe zu ich möchte es so. Denn ich habe ein Ziel und das möchte ich erreichen. Ich möchte Geld sparen um mir eine richtig lange Auszeit nehmen zu können und Sachen zu machen die mir richtig Spaß machen. Bis dahin fröhne ich meinem Lieblingshobby wandern mit normalen Käse und spare dabei für ganz nebenbei für unsere große Wanderung.