geliebtes und verhasstes Atrio



Am 1. Dezember 2019 fing ich meine Stelle als Gruppenleitung der Hauswirtschaft
, sowie der Hauswirtschaftlichen Betriebsleitung der Einrichtung an. Ich freute mich extrem auf diese Aufgabe und war hypermotiviert. Ich hatte 2 Mitarbeiterinnen ohne Behinderung, und 10 Beschäftigte mit Behinderung. Die ersten Monate versuchte ich mich einzuarbeiten und meine Aufgaben zu sondieren. Die Einarbeitung durch den Arbeitgeber war rar. Wir hatte natürlich alle Punkte vom offiziellen Einarbeitungsplan erfüllt und unterschrieben, jedoch das meiste nur angekratzt. Ich habe eher eine Einweisung bekommen wie hier gewissen Sachen laufen und gehandhabt werden, was erwartet wird und mal mehr oder weniger lustige Anekdoten von Kollegen oder Ex-Kollegen gehört. Spezielle Gruppenleiter- oder HWL-Themen wurden kaum angeschnitten. Zu dieser Zeit realisierte ich das aber nicht allzu sehr. Erst im Nachhinein, als ich diese Arbeit nochmal reflektiere fiel mir das auf. Im Prinzip durfte ich mir also alles selbst beibringen. Generell habe ich da nichts gegen einzuwenden, da ich so gut lernen kann, jedoch muss dann auch genug Extrazeit dafür da sein. Dies traf leider nicht zu. Dazu muss auch gesagt werden das ich eine komplette Quereinsteigerin war. Ich hatte Oecotrophologie studiert und war gelernte Köchin. Sicherlich hatte beides ein paar Parallelen mit der HWL, aber eben nur ein paar. Ganz zu schweigen von der fehlenden Erfahrung. Ich traute mir die Aufgabe trotzdem zu, denn aus meiner Sicht kann man (fast) alles lernen, wenn man will. Und ich wollte. Und da es ja kein Geheimnis war das ich Quereinsteigerin in beiden Bereichen bin, bin ich natürlich auch davon ausgegangen das dies berücksichtigt wird im Alltag. Überraschung, es war nicht so! Ich musste gleich funktionieren.

Vielleicht nochmal ein Schritt zurück. Um zu erklären wie die Situation vor meinem Stellenantritt war. Die Gruppe der 10 Beschäftigten der HWS hatte schon einiges hinter sich. Eigentlich waren es zu diesem Zeitpunkt auch nur 9 Beschäftigte, einer kam erst im Laufe der Zeit dazu. 
Aus vielen Gesprächen mit Kollegen, Vorgesetzten und Schriftstücken welche ich gefunden habe ging eindeutig hervor das hier etwas schief läuft. Es gab VIELE Vorgängerinnen auf meine aktuelle Position und mir wurde anfangs viel Mut zugesprochen, ich solle nicht so schnell aufgeben usw. Anfangs fand ich das etwas komisch, aber dann recherchierte ich etwas und fand eindeutige Schriftstücke meiner direkten Vorgängerin. Diese machten deutlich das sie richtig am Ende war. Mit Aussagen wie "wenn sich das nicht ändert muss ich gehen...". So ein steter Stellenwechsel wirkt sich natürlich auch nicht positiv auf Menschen aus, vor allem nicht auf Menschen mit Behinderung. Dementsprechend war die Gruppe als ich dort ankam auch kein richtiges Team. Es waren Menschen die zufälligerweise alle in der HWs arbeiteten, sich aber nicht wirklich unterstützen und als Gemeinschaft verstanden. Sie brauchen sehr viel Aufmerksamkeit, Hilfe und Zuspruch. Und als ich da war und meine Stelle antrat lechzten sie danach. Dementsprechend kamen sie mit allen Anliegen zu mir, was auch gut und richtig ist. Das es jedoch Zeit beansprucht, viel Zeit viele Anliegen (welcher Art auch immer) von 10 Personen zu managen, dann noch GL, HWL und dann auch noch Hygienebeauftragte zu managen, war wohl niemanden klar, außer mir! 

Und so versuchte ich den Alltag zu managen mit allem was dazu gehörte. Versuchte immer alle Anliegen abzuarbeiten, ob vom Vorgesetzten oder Kollegen. Um es ganz kurz zu machen, ich arbeitete mich ab und schaffte es trotzdem nicht die To Do Liste kürzer zu machen, geschweige denn mich eingearbeitet zu fühlen. Routinen zu entwickeln etc. Laut meinem Vorgesetzten machte ich alles spitzenmäßig und er ist sehr zufrieden. Dies habe ich sehr oft gehört anfangs. Später hörte ich dann auch mal sowas wie das ich kurz angebunden bin gegenüber Kollegen und Vorgesetzten. Im nachhinein muss ich sagen das ich jetzt weiß es war Selbstschutz. Zu diesem direkten Zeitpunkt hatte ich es noch nicht erkannt. Ich habe damit einfach nur versucht noch mehr Arbeit von mir wegzuhalten. Mittlerweile hatte ich vor neuen Aufgaben angst. Ob es der richtige Weg war, sei dahingestellt. 

Das "schöne" in so einer Sandwichposition ist auch das man immer mehr Aufgaben bekommt vom Vorgesetzten und diese mit seinen Mitarbeitern erfüllen muss. Dazu ein paar Worte zu meinen beiden Mitarbeitern in der HWS. Dazu muss ich sagen das ich vieles 2020 anders gesehen habe als 2021, da ich mit der Zeit mehr Wissen bekam, wie der AG agiert. Dadurch wurde mir so einiges klarer und ich verstand warum gewisse Mitarbeiter sich gewisse Dinge angewöhnt hatten.

Mitarbeiterin 1
Sicht 2020: M1 ist seit 14 Jahren im Unternehmen. Sie ist faul, unzuverlässig und erledigt Arbeiten halb oder nicht zufriedenstellend. Man muss Sachen für sie planen, da sie das einfach nicht macht. Dann muss man sie zum geplanten am besten persönlich hinführen, da man so zumindest fast sicher es sie macht es. Es ist in keinster Weise verlass auf sie. 
Sicht 2021: M1 ist einfach im Schutzmodus drin. Niemand lobt sie je richtig für ihre  Arbeit. Kein Lob, ist Lob genug, Erst wenn was falsch läuft gibt es unschöne Gespräche. Weiterhin ist sie mit vielen Dingen überfordert (z.B. Bedienung eines PC) und dies wird aber nicht anerkannt vom AG, bzw. nicht mit ihr dran gearbeitet durch Schulungen, da auch sie funktionieren muss.

Mitarbeiterin 2
Sicht 2020: M2 Leitete erst ein Cafe vom AG, wurde dann dort nicht mehr gebraucht und ist nun M2 in der HWS. Sie ist auf zack und arbeitet eigenständig und zuverlässig. Mit ihr kann man sich austauschen. 
Sicht 2021: Mein Verhältnis zu M2 ist schwer zu beschreiben. Einerseits mag ich sie sehr gerne, anderseits nicht. Sie ist ein lebensfroher Mensch, der weiß was er will. Im Zuge vieler Arbeitssituationen kam ich mir jedoch immer schlechter vor, da ich das Gefühl hatte sie macht meine Arbeit schlecht/ erkennt sie nicht an. Ich möchte darauf im Detail gar nicht eingehen, es ist sicherlich auch ein Teil durch meine Dünnhäutigkeit so zu interpretieren, welche sich im Laufe der Zeit dort etabliert hat. Sie ist sehr schlau wodurch ich auch erst sehr spät erkannt habe das sie gar nicht so zuverlässig ist, da sie ihre Faulheit mit Schlauheit kompensiert. Und es klappte sehr lange, auch bei mir. ABER: auch das ist aus jetziger Sicht leider ein Produkt des AG, der sie wirklich schlecht behandelt hat. Erst Kündigung als Cafeleiterin, danach auf nen Hilfssjob gesteckt, schlechter bezahlt, und dann wollten Sie sie kündigen, da sie es nicht akzeptieren wollte. Irgendwie verständlich warum man da die Motivation verliert, oder?

So war ich nach nicht mal einem Jahr ziemlich fertig. Ich überlegte mir ständig neue Strategien um mit dem Stress und der Anforderung klarzukommen. Mann muss mehr schaffen, dann ist alles gut.  Mit diesen Mitarbeiterinnen jedoch nicht wirklich möglich. Ging regelmäßig zur internen Psychologin. So reichte ich nach 11 Monaten dort meine erste Überlastungsanzeige ein. Und machen wir es kurz, die nichts brachte. Es wurden Meetings abgehalten, und "Maßnahmen" besprochen. Maßnahmen die das Blatt Papier, auf dem sie standen nicht wert waren. Meine Lieblingsmaßnahme war salopp gesagt: " ändern sie ihre Einstellung Fr. M, sie machen gute Arbeit, der Vorgesetzte ist zufrieden, Verlangen sie nicht immer so viel von sich!" AHHHHHHH!!!! ICH WÜRDE GERNE WENIGER VON MIR VERLANGEN, DANN GIBT MIR AUCH WENIGER ARBEIT!!!

Hatte ich schon erwähnt das ich HWL, GL und Hygienebeauftragte bin. Die ersten beiden sind eigentlich zwei selbstständige 40h Jobs für sich, aber ich mach das beides mit links  ;-)

Und so arbeitete ich weiter an meiner Einstellung. Irgendwann versuchte ich die LMAA (Leck mich am Arsch) Einstellung bei mir zu etablieren, ohne Erfolg. Ich möchte meine Arbeit gut machen, daher klappte es nicht. Ich wurde immer gestresster, konnte mich nicht mehr konzentrieren, bekam Schlafstörungen, mein ganzer Körper tat weh. Dadurch schaffte ich natürlich noch weniger. Wurde bei Kleinigkeiten sehr empfindsam und gestresst, dünnhäutig. Bekam Atemprobleme und Bluthochdruck, Panikattacken. Musste einmal vom RTW abgeholt werden, da ich das Gefühl hatte zu wenig Luft zu bekommen. Hatte danach mehrmals Panikattacken auf Arbeit, wie auch zuhause. Und dann muss man dazu funktionieren. Ich stellte alle nicht nötigen Gespräche mit Kollegen ein, da ich versuchte sämtliche Stressoren die ich nicht beeinflussen konnte zu meiden. (dumm, ich weiß.) Als ich dann als eine Maßnahme der Überlastungsanzeige ein 1 wöchiges Praktikum bei einer anderen GL machte dachte ich ich spinne. Die haben dort wo wenig zu tun und ich so viel??? Ich bin ich falschen Film! 

Jetzt sollte man sich fragen, warum habe ich nicht schon viel früher gekündigt und bin 2 Jahre dort geblieben? Die Antwort ist klar. Die Arbeit mit meinen Beschäftigten der HWS war der beste Job überhaupt. Und ich dachte ich bekomm das andere irgendwie irgendwann hin! Damit wird man an solche vermeintlich "sozialen" Unternehmen auch gebunden. Durch die Arbeit mit den Menschen die Hilfe brauchen. Sowas nutzen diese AG aus!

Irgendwann nach 1,5 Jahren im Betrieb stand ich kurz vor meinen 4 Wochen Sommerurlaub. Kurz davor war ich wieder krank - konnte einfach nicht mehr. Ich hoffte nun das die 4 Wochen helfen wieder Kraft zu finden. Dem war auch so, etwa 1 Woche lang. Danach war ich wieder so im Strudel drin das ich nach der 2 Woche Arbeit wieder zum Arzt musste. So ging es nicht weiter. Nach 2 Wochen krank kam ich am ersten Tag wieder auf die Arbeit und mein Vorgesetzter hatte gleich für diesen Tag ein Gespräch anberaumt: "Besprechung der Maßnahmen aus der Überlastungsanzeige". Ich beschloss jetzt alle Karten auf den Tisch zu legen und ihm eindeutig zu sagen das sie meine Stelle 50/50 teilen müssen und einen zweiten Stelleninhaber einstellen müssen! Wenn sie da nicht tun, kann ich hier nicht mehr arbeiten. Ich sagte auch deutlich das die "Maßnahme" ein Witz waren und das ich nicht immer auf meine Krankschreibung angesprochen werden möchte.

Dazu vielleicht noch ein paar Worte von zu meinem Vorgesetzten. Mit ihm führte ich u.A. auch das Vorstellungsgespräch und er war mir gleich symphytisch. Für mich ein wichtiger Punkt, denn wenn man so eng zusammenarbeitet muss die Chemie irgendwie stimmen. Die ersten 1,5 Jahre war er auch sehr nett und freundlich, zugewandt. Hat versucht zu helfen und zu unterstützen. Übte keinen Druck aus. Gegen Ende wurde er immer fordernder was die Erledigung der Aufgaben anbelangte und zugeknöpfter. Fragte ständig warum ich krank war und ob er helfen könnte! (ÄHHH- vielleicht mal die Überlastungsanzeige ernst nehmen, das wäre ne Hilfe!) Ich merkte zu spät das er zwei Gesichter hat. Solange man halbwegs funktioniert ist alles gut und damit auch seine Stimmung. Funktioniert man immer schlechter und reicht dann noch eine zweite ÜL ein, übt er mehr Druck aus. Noch mehr Aufgaben, mit harten Deadlines (gab es vorher nicht!). Ich frage mich ehrlich wie solche Menschen in den Spiegel schauen können. Ich habe quasi 1 Jahr förmlich um Hilfe gebettelt und bekam sie nicht., Und dann fragt man sich warum ich nicht funktioniere, gestresst bin, krank bin, irreal handle??

Nun denn, 3 Tage auf Arbeit und ich bekam mitten in der Essensausgabe einen Nervenzusammenbruch. Plötzlich viel mir der Teller aus der Hand, meine Beine gaben nach und ich fing an zu heulen. Danach saß ich 1 Stunde heulend auf Klo. Nachdem ich mich halbwegs in den Griff bekam ging ich in mein Büro und starrte die Wand an. 3 Stunden später packte ich meine gröbsten Sachen und ich war mir sicher, das heute war mein letzter Tag hier. 

Fazit:
Ich habe mich durch diese Arbeit krank machen lassen und war anfangs zu blöde es zu merken. Ich versuchte was zu ändern und zu verbessern. Ich dachte es läge an mir. Der AG wollte eine Veränderung eindeutig nicht. Das realisierte ich zu spät und blieb deshalb viel zu lange. Ich werde mir jetzt meine Gesundheit und Kraft wiederholen und neu anfangen. Und eins weiß ich: so etwas lasse ich nicht nochmal mit mir machen. 
Es ist mein Leben und meine Gesundheit. 
KEIN Job ist es wert dies aufzugeben!