Mit dem Rad zum Rand des Atlas

Nach unserem ungewöhnlichen Einstand in die für uns ungewohnte Art des Zeltens in Marokko sind wir schon gespannt was die nächsten Tage für uns bereithalten würden. Wir packen zusammen und nach wenigen Kilometern bemerken wir ein Motorrad das uns immer wieder überholt, uns dann passieren lässt um und dann wieder zu überholen. Irgendwann ist es uns dann zu doof und wir halten neben ihn an und sagen "Bonjour".  Er sei Security und wird uns zu unserer Sicherheit bis zum nächsten Ort folgen. Dort übernehme jemand anderes.

 Nun gut, wir fahren ein bisschen weiter und irgendwann ist unser Verfolger nicht mehr zu sehen, da wir wohl eine nicht sichtbare Grenze zum Nachbarort passiert haben. Kurz vor Ain Zohra nehmen wir nicht die asphaltierte Landstraße, sondern weichen auf eine kleine Gravelroad aus. Plötzlich kommt ein alter grauer Mercedes von hinten. Da die Strecke recht löchrig ist, halten wir an um ihn passieren zu lassen. Es steigen zwei Männer aus. Wir könnten hier nicht lang fahren, diese Straße sei nicht sicher. Wir sollten zurück zur Asphaltstraße. Wir weigern uns umzukehren, denn der Gravelabschnitt ist eh nur noch 300 Meter. Die beiden sind nicht amüsiert. Die Stimmung wird auch nicht besser, als wir unsere Reisepässe nicht vorzeigen wollen. Die zeigen wir ab jetzt nur noch der "Gendarmerie Royale" in Uniform. Irgendwann lassen sie uns weiterfahren.


Wir passieren den nächsten kleineren Ort. Dort gibt es eine Tankstelle und wir wollen Benzin für den Kocher auffüllen. An der Tankstelle verkauft man dann aber kein bleifreies Benzin. Wir treffen allerdings auf ein Auto mit vier uniformierten Polizisten der Gendarmerie. Wir fragen Sie direkt wo wir sicher mit dem Zelt schlafen könnten. Man sagt uns, dass es sehr gut sei das wir fragen würden. Wir dürften unser Zelt direkt neben der Polizeiwache in Ain Zohra aufschlagen. In dem Ort würden wir auch Benzin finden. Wir bedanken uns höflich und fahren nach Ain Zohra. 

Als wir in dem Dorf ankommen, fängt der Wind an aufzufrischen. Wir fahren zunächst in das Zentrum des Ortes, kaufen ein paar Lebensmittel und setzen uns in ein kleines Cafe. Wir fallen natürlich auf und eine junge Frau die dort arbeitet freut sich sichtbar über die Abwechslung. Für 10 Dirham erhalten wir zwei Minztees. "Avec sucre?" - Na, klar! :-) Wir lassen uns den Tee schmecken und beobachten das für uns Europäer sehr bunte Treiben auf der Hauptstraße.

Nach der Stärkung machen wir uns auf zur Polizeistation. Diese liegt auf einem Hügel umgeben von einer hohen Mauer. Wir stellen unsere Räder vor dem Tor ab und betreten den Hof. Es kommen uns zwei Polizisten entgegen und wir bringen unsere bitte um einen sicheren Schlafplatz vor. Wir dürfen unser Zelt direkt außerhalb der Mauer im Windschutz aufbauen. Man würde gut auf uns aufpassen. Man lässt uns noch die Toilette benutzen und unser Wasser auffüllen.

Als wir den kleinen Pfad hinter der Mauer entlangschieben merken wir, auf was wir uns hier eingelassen haben. Es ist alles vermüllt und der ganze Hügel scheint aus schroffen faustgroßen Steinen zu bestehen. Wir machen uns also ans Werk und erarbeiten uns eine einigermaßen freie Stelle für unser Zelt. Über den Windschutz durch die angrenzende Mauer sind wir natürlich sehr dankbar. Gerade als das Zelt steht hält neben uns ein alter Mercedes. Das scheint hier ein sicheres Zeichen dafür zu sein, dass der Fahrer wichtig ist oder sich zumindest dafür hält. Es steigen zwei Männer aus. Wir finden trotz Sprachbarriere raus: der eine ist der Wichtige, der andere der Sohn des Wichtigen der ein bisschen Übersetzen kann. Die beiden bräuchten jetzt unsere Reisepässe für unsere Sicherheit. "Nicht schon wieder das Spiel", denken wir. Wir teilen ihnen mit das sie unsere Reisepässe nicht zu sehen bekommen. Die Laune der beiden wird schnell schlechter. Als sie darauf bestehen, dass sie die Pässe sehen müssten, sage ich, dass wir dann zur Gendarmerie nebenan gehen. Denen würde ich meine Pässe zeigen. Wir gehen also gemeinsam zur Gendarmerie und ich betrete das Gebäude, nur die beiden Männer verlieren ganz plötzlich das Interesse an unseren Reisepässen. Sei ja doch nicht so wichtig. Sie wünschen uns eine angenehme Nacht und sind sehr schnell wieder verschwunden. Die Polizisten schauen genauso irritiert wie ich.

Wir überstehen die Nacht trotz bellender Hunde in der Nachbarschaft. Am nächsten morgen setzen wir uns in unser "Stammcafe" zum Tee und erledigen mal wieder unsere Einkäufe. Es gibt keine Tankstelle im Ort. Allerdings hatten wir tags zuvor beobachtet, dass an einer kleinen Bretterbude gestern jemand sein Auto aus einem Kanister betanken lassen hat. Mit Google-Translator, dem Langscheidt "Ohne Wörter - Wörterbuch" und Händen und Füßen versucht Maria unser Begehr nach Benzin verständlich zu machen. Es braucht dann etwa zwanzig Minuten, den Besitzer des Cafes und drei weitere Männer um dann tatsächlich unsere Benzinflasche befüllen zu lassen. Einfach geht hier irgendwie gar nichts für uns :-) 

Von Ain Zohra führt uns eine Schotterstraße über einen kleinen Bergpass. Die Höhenmeter sind für uns noch ungewohnt und so müssen wir das ein oder andere Stück schieben, während uns der ein oder andere Esel neugierig beäugt. Fast oben stellen wir unsere Räder ab und machen in einer kleinen Bucht neben der Straße eine Mittagspause. 



Bisher haben uns nur wenig Autos hier passiert. Wir haben uns gerade hingesetzt, da hält ein Fahrzeug neben uns. Ja, richtig... ein Mercedes aus dem drei Männer aussteigen. Man begrüßt uns freundlich. Was wir hier machen würden, will man wissen. Wir erzählen das offensichtliche, dass wir hier etwas essen und die Berge genießen. Dann will man wieder unseren Pass sehen. Wir weigern uns, denn die Männer sind für uns nicht als Polizisten zu erkennen. Es wird telefoniert und dann spricht Torben am Telefon mit einem weiteren Mann der besser Englisch kann. Er sagt mir, dass vor mir echte Polizisten sein würden und ich zur Sicherheit unsere Pässe zeigen solle. Ich bestehe darauf, dass wenn es ein Problem gibt sie mir uniformierte Mitglieder der Gendarmerie schicken sollten. Wir würden die Pässe nicht zeigen. Die Männer sind genervt und einer zeigt mir auf seinem Handy Fotos von sich in Uniform. Woher soll ich wissen von wann das ist und was für eine Uniform das ist? Sie merken dann das sie bei uns nicht weiterkommen und fahren von dannen.

Eigentlich wollten wir uns hier oben in den Bergen einen Zeltplatz suchen, dass können wir nun wohl vergessen. Wir machen uns also weiter die Straße entlang und haben nach Mazguitam eine herrliche Abfahrt.


Dabei passieren wir immer wieder kleine Höfe neben der Straße. An einem ist ein Wasserbrunnen, leider ist das Wasser abgestellt. Nebenan fragt Torben, ob auf der Straße noch ein funktionierender Brunnen käme. Die ganze Familie kommt neugierig aus dem Haus und der Familienvater füllt uns unsere zwei 2-Liter-Flaschen aus einem Kanister. Fröhlich verabschiedet man uns und winkt uns hinterher. Vielleicht hätten wir nach einem Platz für die Nacht fragen sollen. Nun bleibt nur noch Mazguitam selbst. Also wieder eine Nacht an der Polizeistation? Am Ortseingang kommt uns wie gerufen ein Wagen der Gendarmerie Royal entgegen. Der Wagen hält neben uns und der Fahrer lässt grinsend seine Scheibe herunter. Es ist der Mann der mir oben auf dem Berg die Fotos von sich in Uniform gezeigt hat. "Now you can trust me?", alle lachen. Als er hört das wir einen sicheren Platz zum Zelten suchen lacht er dann nicht mehr. Man merkt das er keine Lust hat, aber er lässt uns auch nicht im Regen stehen. Wir folgen ihm komplett durch den Ort bis zu einer Polizeistation. Hier könne er uns aber nicht schlafen lassen sagt er, aber er habe einen anderen sicheren Platz für uns organisiert. Es kommt ein Moped. Der Fahrer ist so etwas wie ein Hilfssheriff verstehen wir. Er wird uns zu einem sicheren Platz bringen. Wir folgen dann dem Moped auf einen Hügel. Hier haben wir einen schönen Blick über den ganzen Ort. Wir dürfen unser Zelt auf einer kleinen freien Fläche neben zwei Gebäuden aufstellen. Hier wohnt einer der Hilfssicherheitskräfte. Wenn etwas passiert sollen wir rufen und er würde für unsere Sicherheit sorgen. Die Nachbarn schauen etwas irritiert, aber wir haben einen ruhige Nacht dort.


Am nächsten Tag steuern wir auf Taza zu. Wir folgen einer relativ großen Straße durch wirklich öde Landschaft. Alles ist sehr trocken (nicht überraschend für Marokko) aber dabei auch nicht besonders ansehnlich. Irgendwo im nirgendwo fahren wir an der Kasbah von Msoun vorbei. Wir entscheiden uns dafür unsere Mittagspause dort zu verbringen. Es handelt sich um eine Ruine und vielleicht haben wir ja mal einen Pausenplatz ohne Kontrolle. Hinter einer alten sehr hohen Mauer finden wir Windschutz und machen es uns gemütlich. Wir fangen an zu essen und just in dem Moment taucht ein Mann auf. Wir begrüßen uns und er schaut uns recht erwartungsvoll an. Wir erklären dass wir nur eben in Ruhe etwas essen wollen und danach weiter fahren. Das scheint für ihn okay und er zieht weiter. Wir wechseln anschließend auf die N6 Richtung Taza, eine Nationalstraße die dementsprechend schwer befahren ist. Aber nichts im Vergleich zur parallel führenden Autobahn. Wir wissen das wir es an diesem Tag nicht bis Taza schaffen werden, gleichzeitig ist uns aber auch bewusst, dass die Polizei uns nicht irgendwo zelten lassen wird. Als gerade kein Auto kommt, schieben wir unsere Räder zügig über einen Hügel und landen auf einer sandigen uneinsichtigen Fläche. Niemand wird uns gesehen haben und wir schlagen unser Zelt für die Nacht auf. Der Wind wird rasch schneller und wir sind froh das Hilleberg Allak 2 dabei zu haben. Diese Nacht bleiben wir wirklich für uns.


Für zwei Nächte bleiben wir in Taza in einem AirBnb. Die Aufregung der letzten Tage muss verdaut werden. Hier haben wir eine Wohnung für uns alleine, wenn auch für marokkanische Verhältnisse sehr teuer. Wir besuchen nicht mal die Innenstadt von Taza. Bevor wir die Wohnung beziehen wollen wir noch Einkaufen und unsere Versorgungslage sichern. Maria erobert einen Supermarkt und Torben bewacht draußen die Fahrräder. Auf dem Parkplatz wird Torben erneut von den lokalen Sicherheitsbehörden kontrolliert. Diesmal zeigt er freiwillig seine Pässe.

 Abends streifen wir durch "unser" Stadtviertel. An einer Ecke befindet sich ein kleiner Laden. Dort sind offene Lebensmittel wie Nüsse und Saaten zumindest spuckgeschützt in kleinen Containern verstaut. Das sehen wir zum ersten mal in Marokko. Wir haben sonst sehr große Bedenken hier offene Waren zu kaufen. Die Oliven, die Gewürze und so weiter sehen wirklich toll aus. Es gibt aber keinerlei Hygienemaßnahmen. Ich erinnere mich an einen Markt in dem Abends die Katzen zwischen den offenen Olivenbehältern herumstreiften. Für unser morgendliches Couscous benötigen wir aber schon immer mal wieder Nüsse. Daher nutzen wir den Laden aus. Ein Mitarbeiter gibt sich große Mühe mit uns über den Google-Translator zu kommunizieren und erfüllt uns alle Wünsche. Er mahlt sogar den Kaffee für uns frisch. Am Ende unseres Einkaufs will er uns unbedingt noch etwas sagen und tippt fleißig auf Torbens Smartphone. Die Übersetzung lautet: "Vielen Dank für Ihren Einkauf und das sie unser Geschäft besucht haben!"

Wir bleiben dann im wesentlichen für die Tage in unserem kleinen Stadtviertel und genießen die Ruhe dort bevor wir in den mittleren Atlas starten.