Mit dem Rad über den mittleren Atlas

Nach ein paar erholsamen Tagen in Taza starten wir in die Berge. Auf dem Weg nach Missour sind keine Lebensmittelgeschäfte eingezeichnet. Dementsprechend füllen wir unsere Taschen für knapp sieben Tage und mehr als 6000 Höhenmeter.

Wir entscheiden uns für die R507 und brauchen einige Stunden um die wuselige Stadt hinter uns zu lassen.  Die Straße schlängelt sich langsam nach oben und ist nicht viel befahren. In einer Kurve hält ein von vorne kommendes Auto neben uns an und ein junger Mann begrüßt uns freudig auf Deutsch. Er lebt schon sein Leben lang in Deutschland und ist aber zu Familienbesuch in Marokko. Unsere Nationalität hat er wohl von weiten schon richtig erraten. Er ist ganz begeistert davon das wir mit dem Rad durch seine Heimat fahren. Er steckt uns zwei Packungen Nüsse zu und ist kaum davon abzuhalten uns auch ein bisschen Geld zu geben. Das nehmen wir natürlich nicht an. Er sagt die Leute sind super nett hier. So sei das immer bei armen Menschen, alle würden gerne helfen, nur bei reichen Menschen müsse man aufpassen. Hier streifen wir das Gebiet des Tazekka National Park und arbeiten uns langsam nach oben. Der Kontrast ist groß. In einem Moment überholt uns eine Gruppe junger Männer im Radtrikot und möchte Selfies mit uns machen. In der nächsten Kurve schleppt eine Familie mit sehr kleinen Kindern und sehr alter Frau Feuerholz auf dem Rücken zu ihrem kleinen Haus.




Da wir uns in den Bergen bewegen und uns (zumindest nicht offensichtlich) keine Polizei gefolgt ist, schlagen wir unser Zelt sichtgeschützt von der Straße auf. Wir essen unser Abendbrot und machen uns bereit für die Nacht. Aber auch diese Nacht dürfen wir nicht in unserem Zelt im Wald schlafen. Wieder werden wir entdeckt und um 22 Uhr rückt die Gendarmerie mit Blaulicht an. Wir müssten unser Zelt abbauen. Man würde uns zu einem sicheren Ort nur zwei Kilometer entfernt bringen. Es sind dann doch zehn Kilometer und einige Meter bergab entgegengesetzt zu unser eigentlichen Fahrtrichtung. Dort dürfen wir umsonst in der Gîte Dayet Chiker in einem Bett schlafen. Am nächsten morgen können wir sogar duschen. Das bessert unsere Laune. Zu dem Zeitpunkt sind wir von den Sicherheitsmaßnahmen wirklich gestresst. Aber wir wollten unbedingt zu Wüste durchhalten. Die Polizei sagt uns, wir sollten immer Abends in einem Dorf fragen wo wir schlafen können.


Wir genießen die Fahrt mit schönen Aussichten durch ursprüngliche Täler bis nach Maghraoua. Bezüglich des wilden Zeltens geben wir uns geschlagen und fragen direkt im Ort bei der Gendarmerie. Wir dürfen unser Zelt gegenüber der Polizeistation aufschlagen. Hier scheint die Schule für viele umliegende Dörfer zu sein. Hunderte Kinder tummeln sich um den Platz und wir sind eine große Attraktion. Abends sitzen wir vor einem kleinen Cafe und trinken unseren Tee. Lebensmittel hätte es hier oben übrigens auch gegeben (Kekse und Co., Gut das wir Taschen voll haben. ;-)




Vor unserer Weiterfahrt erkundigen wir uns bei der Polizei ob wir denn weiter südlich in den Bergen sicher schlafen könnten. Wir sollten bis Tamtroucht fahren, dort gebe es eine Herberge. Das sind 1.200 Höhenmeter und 40 Kilometer. Das sind unsere ersten richtigen Berge mit den schweren Rädern. Wir sind ja doch eher breit ausgestattet, als leicht unterwegs. Die Polizisten äußern Bedenken wegen unseres Plans in die Berge zu fahren. Dort sei es sehr kalt.

Gut gelaunt starten wir in die Bergetappe und schlängeln uns gemütlich in die Höhe. Wir haben mal wieder richtig tolle Ausblicke und die Sonne lacht auf uns herab. Dennoch wird es richtig frisch im Laufe des Tages und auch der aufkommende Wind macht uns das Leben ab und schwer. Windgeschützt hinter einem Kamm pausieren wir. Selbst hier im gefühltem Nirgendwo tauchen ein paar Hirten auf und fragen uns freundlich ob alles ok ist. 


Wir erreichen fast pünktlich zum Sonnenuntergang Tamtroucht. Der Ort stellt sich als eine Sammlung von etwa zehn Häusern, einer Moschee und zwei offiziellen Regierungsgebäuden heraus. Irgendwo soll hier außerhalb eine Unterkunft sein, wir fragen aber lieber die Männer vor der Moschee. Wir haben Glück und treffen anscheinend die richtigen Menschen. Nach Fotos von unserem Reisepass für die Sicherheit dürfen wir unser Zelt direkt vor einem Regierungsgebäude aufstellen. Hier haben wir auch etwas Schutz vor dem Wind. Es gibt eine Trinkwasserquelle in dem Dorf und wir sind glücklich. Da der Ort auf knapp 2.000 Metern Höhe liegt wird es Nachts knackig kalt. In unseren Schlafsäcken wird es umso gemütlicher da wir beide zu einem großen verbinden können.




Es geht am nächsten Tag weiter Bergauf. Die Landschaft wird immer schöner und immer leerer. Wir passieren sehr einfache Lehmhütten und sehen kaum noch Menschen. Immer weiter näher wir uns dem Bergpass Tizi Bouzabel an und fahren dabei an vereisten Wasserfällen vorbei. Dort auf der Straße haben wir zwei Begegnungen die es uns mulmig werden lässt. In einer großen Kehre geht weit vor uns ein Mann in unsere Richtung. Irgendwann sieht er uns kommen und macht kehrt auf uns zu. Wir passieren ihn und grüßen freundlich. Er starrt uns an und fängt an zu schreien. Wir verstehen kein Wort und entziehen uns der Situation fahrend. Wir sehen den Mann noch ein paar mal beim Blick zurück. Er folgt uns scheinbar. Es geht steil bergan und daher kommen wir auch nicht flott davon. Einige Minuten später kommen wir um eine Kurve am Hang. Dort steht ein Mann mit einem Knüppel aus Holz. Die haben wir schon öfter bei den Hirten gesehen. Wir grüßen wieder freundlich und erhalten keine Reaktion. Er starrt uns einfach nur an. Wir schieben weiter den berghinauf. Irgendwann hören wir ihn hinter uns schreien. Keine Ahnung was hier los ist. Uns wird nun aber bewusst wie weit weg wir von der Zivilisation entfernt sind. Der ständige wiederholte Hinweis auf unsere Sicherheit durch die Polizei löst bei uns Kopfkino aus. Wir können kaum den Ausblick auf dem Bergpass genießen sondern futtern nur schnell etwas und machen uns bereit zur Abfahrt. 











Die Abfahrt zieht sich über 25 Kilometer und fast 800 Höhenmeter. Ich glaube wer sich einmal einen Berg hinauf gekämpft hat, der weiß wie geil danach eine lange Abfahrt ist :-) Schon spät am Abend kommen wir in einem Dorf direkt nördlich von Imouzzer Marmoucha an.



Hier gibt es zwar keine Polizeistation, da die Stadt sich aber auf der anderen Seite einer kleineren Hügelkette befindet, wollen wir versuchen hier zu bleiben. Ganz wie uns empfohlen wurde, fragen wir uns nach dem Dorfverantwortlichen durch. Irgendwann finden wir die richtigen Personen, nur ob wir hier schlafen könnten sei nicht klar. Es wird telefoniert und irgendwann hab ich eine wichtige Person mit guten Englischkenntnissen am Ohr. Er sei auf dem Weg zu uns, wir stünden gerade vor der offiziellen Sicherheitsperson des Dorfes. Dieser sei sein Angestellter und wir seien nun in Sicherheit. Da sind wir aber erleichtert. Etwa fünf Minuten später taucht ein schwarzer Mercedes mit vier Insassen auf. Ja, richtig, Mercedes ist hier eindeutig ein Indikator für wichtige Persönlichkeit ;-) Man heißt uns herzlich Willkommen, leider könnten wir in dem Dorf nicht bleiben, trotz seines Sicherheitspersonals sei es hier nicht sicher! Aber in Imouzzer Marmoucha gebe es eine sichere Herberge für uns. Nachdem Maria etwas jammert aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit und der bevorstehenden Höhenmeter nach Imouzzer Marmoucha, werden unsere Räder kurzerhand in einem Transporter verladen. Es sind plötzlich zehn Helfer um uns herum und verladen uns und unser Gepäck. In einer Kolonne fahren wir zur Herberge "Gîte Auberge Zarwale Écobio". Die Strecke wäre allerdings wirklich sehr weit gewesen und wir sind happy über die Hilfe. Unterwegs überfährt der Chef der Polizeibehörde beinahe einen Hund. Er wirkt nicht so als habe er vor zu Bremsen, zum Glück rettet sich der Hund in den Graben. 

Angekommen in der Herberge wird unser Gepäck und unsere Räder wieder von vielen Helfern entladen. Wo kommen die alle her fragen wir uns. Wir könnten im Garten zelten, man zeigt uns aber auch die Zimmer. Wir sind direkt verliebt und buchen uns für zwei Nächte ein. Fatima und Ahmend sind großartige Gastgeber. Auch wenn wir nicht für umgerechnet 60 € eine Vollpension buchen, laden die beiden uns dennoch zu einem opulenten Frühstück und am nächsten Tag auch zum Abendessen ein. Fatima ist eine großartige Köchin und wir platzen beinahe. Die zwei Nächte sind erholsam für uns. Die Herberge ist eine klare Empfehlung! Ahmed erzählt uns, dass vor ein paar Wochen ein anderer Deutscher mit dem Rad hier durchgekommen sei. Wir bekommen seine Telefonnummer und tauschen uns kurz aus. Ja, die Polizei hat es bei ihm auch sehr ernst genommen mit der Sicherheit, aber etwas weiter südlich konnte er wieder frei zelten. Das ist doch mal eine Motivation für uns. Wir machen uns also auf Richtung Wüste!